Hygiene-Museum

Ausstellung „Gesichter“

Portraits des Rappers Tupac Shakur
Bild: Marcel Odenbach/Foto: Thomas Müller

Busen, Beine, Po? Von wegen. Männer, das zeigt eine britische Studie, schauen Frauen zuerst in die Augen – wie ihresgleichen auch. Keine sexuellen Motive bestimmen die erste Wahrnehmung des anderen, sondern die Einordnung: Freund oder Feind? Erst wenn klar ist, auf welcher Vertrauensbasis Kommunikation gelingen kann, sondiert der alltägliche Schnellcheck Attraktivität und Dominanz des Gegenübers. Von Siiri Klose

Ansichtssachen und Gesichtsgeschichten

Mit „Gesichter – eine Ausstellung über das, was wir zeigen und ­verbergen“ widmet sich das Deutsche Hygiene-Museum in gewohnter Treffsicherheit einer Thematik, die auf der Hand liegt und sich beliebig vertiefen lässt. Als die Ausstellung bloß als Konzeptpapier existierte, machte die Burka-Debatte bereits deutlich, welch übergeordnete Rolle Gesicht und Mimik in der mensch­lichen Kommunikation einnehmen – und auf welch aktuellem Terrain sich Kuratorin Kathrin Meyer bewegt, die die Idee der Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel in eine Form brachte.

Gleich der erste Teil der Ausstellung, in dem es um die Voraussetzungen, Methoden und Zwecke der bildlichen Inszenierungen von individuellen Gesichtern geht, lässt sofort ein Netz von Querverbindungen zu. Da sind die Porträts des Augsburger Renaissancekünstlers Christoph Amberger, der den Kaufmann David Amberger mit gravitätischem Ernst darstellt und auch dem Nicht-Kunsthistoriker verrät: Diese Person verlangt Respekt. Keine Muskel­bewegung hebt einen Mundwinkel, senkt eine Augenbraue und lenkt möglicherweise irreführend von der Ernsthaftigkeit ihres Anliegens ab.

Die Renaissance gilt allgemein als Erwachen des Individuums; mit der Reformation hatten die Menschen noch einen Grund mehr, sich mit menschengemachter Religion zu beschäftigen und damit auch auf verschiedene Möglichkeiten zu stoßen, den Glauben an Gott zu zelebrieren. Überlegungen, die das Selbst-Bewusstsein der Bürger gestärkt haben dürften.

Oder sind die wie erstarrt wirkenden Gesichter am Ende eher jenem langwierigen Maler-Modellstehen geschuldet, das peu à peu alle Mimik ersterben ließ? Das Wort des Jahres 2013 – „Selfie“ lautete es – verrät einiges darüber, wie auch eine neue Technik zu einem neuen Selbstverständnis verhelfen kann: Das omnipräsente Bedürfnis, Aufmerksamkeit mit dem eigenen Abbild zu erregen, führt zu einer neuen Form der Normierung. Selten ein Selfie, auf dem nicht hingebungsvoll gelächelt, die Mimik in Hochbetrieb versetzt wird. Die Individualität dahinter scheint freilich ausdekliniert.

Wieder so eine fulminant-subtile Ausstellung, die mit der Oberfläche – in diesem Fall dem Gesicht – ein komplexes Spiel über Bande anzettelt.

Portraits des Rappers Tupac Shakur (oben) gibt es millionenfach, sie zeigten ihn stets als einen coolen Typen. In der Collage des Künstlers Marcel Ondenbach von 2015 schwingt jedoch Verletzlichkeit mit.

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